Das Physik-Nachschlagewerk für Segler
Eine wachsende Sammlung nützlicher physikalischer Wörter
Um Wind, Strömungen und das Segeln wirklich zu verstehen, müssen wir unter die Oberfläche schauen, in die Physik, die dahintersteckt. Dieser Beitrag soll als wachsende Referenz dienen, zu der du immer wieder zurückkommen kannst, wenn dir ein physikalischer Begriff begegnet, den du nicht kennst. Sieh es als dein „Nachschlageheft“ für alles rund um Bewegung und Mechanik auf See. Willkommen in der Physik, wo alles theoretisch ist, bis dein Kaffee umkippt.
Coriolis Kraft
Die Corioliskraft ist eine Scheinkraft, die in rotierenden Bezugssystemen wie der Erde auftritt. Sie ist keine echte Kraft, die auf Objekte wirkt, sondern entsteht durch die Betrachtung der Bewegung aus einem rotierenden System heraus. Mathematisch sieht das wie folgt aus. In einem rotierenden Bezugssystem wie der Erde erfährt ein sich bewegendes Objekt eine scheinbare seitliche Beschleunigung, die sich durch die Gleichung ausdrückt: F⃗Coriolis=−2m(Ω⃗×v⃗), dabei ist Ω⃗ der Winkelgeschwindigkeitsvektor der Erde (also die Rotation der Erde), v⃗ die Geschwindigkeit des Objekts relativ zur Erde und m die Masse des Objekts. Das Kreuzprodukt × zeigt an, dass die Kraft senkrecht zur Bewegungsrichtung und zur Rotationsachse wirkt.
Die Corioliskraft erklärt, warum sich bewegende Dinge wie Wind oder Wasser auf einem rotierenden Objekt wie der Erde eine Kurve machen. Stell dir vor, du stehst am äußeren Rand eines Karussells. Dort bewegst du dich am schnellsten, weil der Weg pro Umdrehung am längsten ist. Wenn du jetzt gerade zum Zentrum gehst und dabei dieselbe Geschwindigkeit beibehältst, wirst du seitlich abdriften, obwohl du denkst, geradeaus zu laufen. Das passiert, weil du deine schnelle seitliche Geschwindigkeit vom äußeren Rand mitnimmst. Je näher du zur Mitte kommst, desto langsamer dreht sich das Karussell relativ gesehen. Weil du schneller bist als das Karussell unter dir, wirst du seitlich abgelenkt, nicht, weil dich etwas drückt, sondern wegen des Unterschieds in der Rotationsgeschwindigkeit.
Dasselbe passiert auf der Erde: Luft und Wasser, die vom Äquator zu den Polen strömen, behalten ihre schnelle Geschwindigkeit bei, während der Boden darunter langsamer rotiert. Deshalb werden sie seitlich abgelenkt – im Norden nach rechts, im Süden nach links.
Die Ablenkung und somit Corioliskraft, hängt von der geografischen Breite ab, nimmt zum Pol hin zu und ist am Äquator null. Die seitliche Ablenkung selbst nennt man Corioliseffekt.




Ohne Coriolis Kraft:
Mit Coriolis Kraft:
Credit: NOAA
Ekman Spirale
Stell dir vor, du rührst mit einem Löffel in einer Schüssel Suppe. Wenn du den Löffel über die Oberfläche ziehst, bewegt sich die oberste Schicht der Suppe mit. Die Bewegung breitet sich nach unten aus, weil sie von der darüberliegenden Schicht mitgezogen wird, aber jede tiefere Schicht bewegt sich langsamer. So entsteht eine Art geschichtete, spiralförmige Bewegung.
Im echten Ozean passiert das Gleiche, aber mit einem entscheidenden Unterschied: Die Erdrotation fügt die Corioliskraft hinzu. Zwar wirkt die Corioliskraft theoretisch auch auf die Suppe, aber auf dieser kleinen Skala ist sie so winzig, dass man sie praktisch nicht bemerkt.
Wenn der Wind über die Meeresoberfläche weht, schiebt er die oberste Wasserschicht an, die sich dann bewegt – aber nicht genau in Windrichtung. Durch die Erdrotation sorgt die Corioliskraft dafür, dass das Wasser in der Nordhalbkugel leicht nach rechts und in der Südhalbkugel leicht nach links abgelenkt wird.
Die darunterliegende Wasserschicht wird durch die Reibung von der darüberliegenden mitgezogen. Sie bewegt sich jedoch langsamer als die Oberfläche und wird noch stärker seitlich abgelenkt – genau wie bei der Suppe. Jede tiefere Schicht verhält sich ähnlich, bewegt sich langsamer und dreht sich mit zunehmender Tiefe weiter zur Seite. Das ergibt ein spiralförmiges Muster, das man Ekman-Spirale nennt.
Wenn man all diese Schichten zusammenzählt, ergibt sich eine Netto-Wasserbewegung, die etwa 90 Grad zur Windrichtung steht. Dieses Phänomen nennt man Ekman-Transport. Dieser seitliche Fluss ist entscheidend für das Küstenauftriebsphänomen, bei dem kaltes, nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche gelangt und so reiche marine Ökosysteme entstehen lässt.


Credit: NOAA
Tagundnachtgleiche (Äquinoktium)
Eine Tagundnachtgleiche (Äquinoktium) findet zweimal im Jahr statt, etwa am 20. März und 22. September, wenn Tag und Nacht auf der ganzen Welt nahezu gleich lang sind. Die Tagundnachtgleichen entstehen durch die Achsneigung der Erde von etwa 23,5° und ihre Umlaufbahn um die Sonne. An diesen beiden Tagen – dem Frühlings- (März) und Herbst- (September) Äquinoktium – steht die Erdachse senkrecht zu den Sonnenstrahlen. Dadurch steht die Sonne direkt über dem Äquator, und die Terminatorlinie (die Grenze zwischen Tag und Nacht) richtet sich entlang der Erdrotationsachse aus.
Dadurch erleben beide Hemisphären fast 12 Stunden Tageslicht und 12 Stunden Nacht. Diese Zeitpunkte markieren auch den Wechsel der Jahreszeiten: Das März-Äquinoktium signalisiert den Beginn des Frühlings auf der Nordhalbkugel und des Herbstes auf der Südhalbkugel, während das September-Äquinoktium den Herbstbeginn auf der Nordhalbkugel und den Frühling auf der Südhalbkugel einläutet.


Credit: National Weather Service