Propellerwellendichtung

Was tun, wenn dein Boot plötzlich voller Wasser steht?

Nachdem wir zum ersten Mal in Moorea vor Anker gegangen waren, war es bereits dunkel. Gegen Ende unserer Überfahrt waren wir in eine Flaute geraten und mussten den Motor nutzen, um uns langsam hindurch und in die Bucht zu manövrieren. Nachdem das Boot gesichert war, waren wir völlig erschöpft und fielen direkt ins Bett.

Am nächsten Morgen schaute ich, wie bei unseren Routinekontrollen üblich, in den Maschinenraum und erstarrte für einen Moment. Der Motorraum stand voller Wasser. Sofort schaltete ich die Lenzpumpe ein, das Herz schlug mir bis zum Hals. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.

Es dauerte nicht lange, bis wir das Problem gefunden hatten: Das Wasser kam von der Propellerwellendichtung.

Was ist die Propellerwellendichtung?
Die Propellerwellendichtung ist ein entscheidendes Bauteil auf jedem Boot mit Innenbordmotor. Sie ist das Einzige, was zwischen dem Ozean und dem Bootsinneren steht. Sie befindet sich genau an der Stelle, an der die Propellerwelle durch den Rumpf führt. Die Welle, eine Metallstange, verbindet den Motor mit dem Propeller. Sie dreht sich mit hoher Geschwindigkeit und muss durch den Rumpf nach außen geführt werden, um ihre Aufgabe zu erfüllen. An dieser Austrittsstelle braucht man eine Dichtung, die das Eindringen von Meerwasser verhindert und gleichzeitig zulässt, dass sich die Welle frei drehen kann. Genau dafür ist die Propellerwellendichtung da.

Es gibt verschiedene Arten von Propellerwellendichtungen, jede mit eigenen Vor- und Nachteilen. Die traditionellste ist der sogenannte Stopfbuchspackung oder Packungssatz. Diese Art von Dichtung nutzt mehrere Lagen geflochtenes Dichtungsmaterial (oft Flachs oder synthetische Fasern), die um die Welle gepresst werden und so eine wasserdichte Barriere bilden. Sie sind relativ kostengünstig und einfach zu warten, tropfen aber bauartbedingt leicht. Dieses Tropfen hält die Packung kühl und geschmiert. Der Nachteil: Die Bilge bleibt nie ganz trocken, und wenn zu viel Wasser eindringt, ist das ein Zeichen für falschen Einbau oder Verschleiß.

Wir verwenden eine tropffreie Dichtung namens PSS (Packless Sealing System), eine Art mechanische Flächendichtung. Dabei liegen zwei ebene Flächen eng aneinander: Eine Fläche dreht sich mit der Welle, die andere bleibt feststehend. Die Abdichtung erfolgt durch den festen Anpressdruck der beiden Flächen. Eine Seite besteht in der Regel aus Kohlenstoff oder Graphit, die andere aus Edelstahl. Wenn sie korrekt installiert und gewartet wird, bildet diese Kombination eine extrem dichte Abdichtung, sorgt für eine trockene Bilge und einen reibungslosen Betrieb.

In unserem Fall erfüllte die Dichtung ihre Aufgabe nicht korrekt. Bei genauerem Hinsehen stellten wir fest, dass die feststehende Kohlenstofffläche und die rotierende Stahlfläche nicht mehr fest genug aneinandergepresst wurden. Mit der Zeit hatte sich die Klemme, die die Einheit an Ort und Stelle hält, verschoben und dadurch das gesamte Bauteil gelockert. Als der Motor lief und sich die Welle drehte, konnte durch diesen minimalen Spalt Meerwasser ins Boot gelangen. Höchstwahrscheinlich war der Großteil des Wassers am Vorabend eingedrungen, als wir unter Motor in die Bucht gefahren waren.

Sobald wir verstanden hatten, wie die Dichtung funktioniert, war die Reparatur recht einfach. Wir lösten die Schraube, die Wellenklemme fixierte, und schoben die gesamte Einheit vorsichtig nach hinten, um den nötigen Druck zwischen den beiden Flächen wiederherzustellen. Damit wir künftige Bewegungen nachvollziehen können, markierten wir sowohl die neue als auch die ursprüngliche Position mit einem Permanentmarker direkt auf der Welle. Beim nächsten Einsatz des Motors funktionierte alles perfekt. Das Boot blieb pupstrocken.

Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme überlegen wir, hinter der Dichtung eine Schlauchschelle anzubringen. Diese würde als mechanischer Anschlag dienen und verhindern, dass sich die Dichtung mit der Zeit wieder nach vorne bewegt.

Was als Schreckmoment begann, wurde so zu einer wertvollen Lernerfahrung: Manchmal kann schon eine nur leicht gelockerte Schraube fatale Folgen haben.

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Wenn du Probleme mit deinem Antriebsstrang verstehen oder beheben möchtest und dabei auch mehr über die verschiedenen Arten von Propellerwellendichtungen lernen willst, dann sind diese beiden Bücher für uns absolute Game-Changer gewesen:

🔧 Boatowner’s Mechanical and Electrical Manual von Nigel Calder [ENG]
Wir können dieses Buch gar nicht genug empfehlen. Es behandelt wirklich alles, was an einem Boot kaputtgehen kann und wie man es wieder repariert. Ohne dieses Werk wäre die Fehlersuche für uns um einiges schwieriger gewesen. Es hat uns geholfen zu verstehen, was normal ist, was nicht und wie man richtig handelt. 👉 Bei Amazon kaufen (Anzeige)

⚙️ Marine Diesel Engines von Nigel Calder [ENG]
Dieses Buch taucht tief in die Welt der Dieselmotoren ein. Es erklärt unterschiedliche Motorkonstruktionen, ihre Vor- und Nachteile und wie man wie ein Profi Fehler findet und behebt. Wer sich für Propellerwellendichtungen interessiert, findet hier eine klare Übersicht der verschiedenen Typen und worauf man achten sollte. 👉 Bei Amazon kaufen (Anzeige)

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