Wie wir eine Chainplate auf einem schwimmenden Boot in Tahiti ersetzt haben
Chainplate Wechsel auf dem Wasser
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Alle Bootsbegriffe werden am Ende des Textes erklärt ⛵
🚨 Das Problem
Während der Renovierung der Achterkabine von Tauha stießen wir auf etwas, das uns den Magen zusammenziehen ließ: ein tiefer Riss direkt durch die Chainplate – genau an der ersten Schraube.
Das ist kein kosmetischer Schaden. Die Chainplate hält das Backstay, das dicke Edelstahlseil, das den Großmast nach hinten abspannt. Wenn dieses mitten auf dem Ozean versagt, ist das beste Szenario: Die Takelage verliert ihre Spannung. Im schlimmsten Fall fällt der gesamte Mast um. Das Risiko wollten wir auf keinen Fall eingehen.
Doch die Zeit drängte, und wir hatten kein Ersatzteil. Chainplates sind oft maßgeschneidert und unterscheiden sich von Boot zu Boot in der Bauart. Außerdem wollten wir unbedingt eine aus Edelstahl, um erneuten Rostbefall zu vermeiden. So ein Teil in Französisch-Polynesien innerhalb weniger Tage zu finden, schien nahezu unmöglich.




🔍 Die Suche nach einer neuen Chainplate
Wir waren gefühlt in jedem Boots-Shop auf der Nordseite der Insel und wurden mit jedem Stopp enttäuschter. Die meisten Verkäufer wussten nicht einmal, was eine Chainplate ist. An dem letzen Segelladen auf unsere Liste fragten wir den Mann hinter dem Tresen, mehr aus Verzweiflung als aus Hoffnung, ob er zufällig einen Metallbauer kenne, der uns ein solches Teil anfertigen könnte. Zu unserer Überraschung zögerte er nicht: „Ja, da gibt’s einen im Süden der Insel. Ich habe nur Gutes von ihm gehört. Ich schick dir seinen WhatsApp-Kontakt.“
Willkommen im Inselnetzwerk, wo WhatsApp König ist.
Wir schickten dem Metallbauer Alex' Skizze des Teils, zusammen mit unserem verzweifelten Hilferuf. Innerhalb einer Stunde kam die Antwort. Er meinte, er hätte bereits ein Edelstahlstück, das fast die richtige Form hat. Mit etwas zusätzlicher Arbeit über Nacht, Schleifen und Bohren, könnte es bis zum nächsten Tag fertig sein – gegen einen kleinen Aufpreis für die Nachtschicht.
Wir konnten es kaum glauben. Und tatsächlich holten wir am nächsten Tag eine wunderschön fertige, maßgeschneiderte Chainplate aus seiner kleinen Werkstatt im Süden der Insel ab. Sie war schwerer, dicker und stärker als das Original. Perfekt.
🛠️ Die Installation
Jetzt kam die nächste Herausforderung: das Einbauen.
So einen Job macht man normalerweise mit dem Boot an Land und dem Mast unten. Aber Tauha lag hinter einem Riff, sanft auf türkisblauem Wasser schaukelnd, und wir hatten keine Zeit (oder kein Budget), Tauha trocken zu legen. Zum Glück war das Wetter am nächsten Morgen perfekt ruhig. Zeit, es zu probieren.
Schritt 1: Mast sichern
Wir konnten es uns nicht leisten, dass der Mast nach vorne fällt, während der Backstay ab ist. Darum taten wir Folgendes:
Die Verbindung-Leine zwischen Mast und Großbaum (Boom Topping Lift) und die Großschot straff ziehen, um den Mast nach hinten zu ziehen
Das Großfall fest anziehen und am Heck sichern
Eine Sicherheitsleine zwischen Backstay und Chainplate knüpfen, die zur Not das Backstay halten würde, falls die Leinen reißen sollten.
Schritt 2: Alte Bolzen entfernen
Die Chainplate war mit fünf Bolzen durch das Heck am Boot angeschraubt. Ich hing am Heck wie eine Fledermaus und hielt mit einem Schraubenschlüssel die Bolzenköpfe an der Rückwand des Bootes fest. Unter Deck schwitzte Alex in der Achterkabine mit einem winzigen Schraubenschlüssel und schließlich mit einer Säge an den zwei Bolzen, die sich partout nicht lösen wollten.
Schritt 3: Alte Chainplate entfernen
Nachdem die Bolzen raus waren, lockerten wir das Spannelement (Turnbuckle), um den Backstay von der Chainplate zu lösen. Danach ließ sich die Chainplate endlich rausziehen. Da lag sie: korrodiert, gerissen und definitiv nichts, womit man noch segeln will.
Schritt 4: Neue Chainplate einbauen
Die neue Chainplate war etwas breiter, also mussten wir die Öffnung im Rumpf feilen, bis sie passte. Nach dem Verbreitern saß sie perfekt an Ort und Stelle. Die neuen Bolzen? Passten wie angegossen. Jackpot.
Schritt 5: Abdichten und sichern
Wir haben alle Bolzenlöcher und die Chainplate mit marinetauglichem Sikaflex abgedichtet – das stellte sich als schwarz heraus (ups). Aber es hält super dicht. Der Backstay wurde wieder verbunden, die Sicherheitsleinen entfernt und… Voilà, die neue Chainplate war drin.


💭 Abschließende Gedanken
Eine Chainplate an einem schwimmenden Boot bei tropischer Hitze zu wechseln, mit Salz im Haar und Schweiß in den Augen? Nicht gerade unser Lieblingsjob. Aber mit etwas Glück, ein bisschen Insel-Einfallsreichtum und einer ordentlichen Portion Teamwork ist es machbar.
Die gute Nachricht: Alle anderen Chainplates sehen noch solide aus. Hoffen wir, dass das so bleibt. 🤞
⛵ Bootsbegriffe erklärt
Chainplate – Eine dicke Edelstahlplatte, die durch den Rumpf geschraubt ist und zur Verankerung von Beschlagseilen (wie dem Backstay) dient. Sie sorgt dafür, dass der Mast aufrecht steht und die richtige Spannung hat.
Backstay – Ein gespanntes Kabel, das vom Masttop zum Heck verläuft. Es verhindert, dass der Mast nach vorne fällt, und stabilisiert das gesamte Rig.
Großfall (Main Halyard) – Die Leine, mit der das Großsegel hochgezogen und gespannt wird. Wir haben sie während der Reparatur genutzt, um den Mast nach hinten abzuspannen.
Baumaufhalteleine (Boom Topping Lift) – Eine Leine, die den Baum hält, wenn das Großsegel eingeholt ist. In unserem Fall half sie, den Mast nach hinten abzuspannen.
Großschot (Boom Sheet) – Die Leine, die den Winkel des Baums steuert. Das Straffen half uns, die Mastspannung zu halten, während der Backstay gelöst war.
Spannelement (Turnbuckle) – Ein verstellbares Metallstück, das den Backstay mit der Chainplate verbindet und mit dem man die Spannung feinjustieren kann.


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