Strömungen, die die Meere formen
Wie Meeresströmungen das Klima beeinflussen und den Kurs von Schiffen bestimmen.
5 min lesen
Die Weltmeere sind von einem komplexen Netzwerk aus Strömungssystemen durchzogen, welche die Route und Geschwindigkeit eines Segelbootes erheblich beeinflussen kann. Diese Strömungen verlaufen nicht zufällig. Sie werden von grundlegenden physikalischen Kräften gesteuert, die auf das Meerwasser wirken. Sie zu verstehen, ist nicht nur nützlich für die Törnplanung, sondern für jeden Segler unerlässlich.
Tiefenströmungen sind Teil dessen, was Wissenschaftler als thermohaline Zirkulation bezeichnen, auch als das „globale Förderband“ bekannt. Diese Strömungen werden durch Unterschiede in Temperatur (thermo) und Salzgehalt (halin) angetrieben, die wiederum die Dichte des Wassers beeinflussen. Kälteres, salzhaltigeres Wasser ist dichter und sinkt ab, während wärmeres, süßeres Wasser aufsteigt. Diese vertikalen Bewegungen, beeinflusst von Schwerkraft und Dichteunterschiede, erzeugen langsame, aber gewaltige Strömungen in der Tiefsee. Auch wenn diese Tiefenströmungen entscheidend für Klima und Ozeanchemie sind, sind es vor allem die Oberflächenströmungen, die fuer Segler eine direkte Rolle spielen. Sie beeinflussen Navigation, Kraftstoffverbrauch (bei Motorfahrt) und sogar die Sicherheit auf See.
Oberflächenströmungen entstehen hauptsächlich durch Reibung zwischen Wind und Wasser: Der Wind schiebt die oberste Wasserschicht an. Doch durch den Corioliseffekt, der durch die Erdrotation verursacht wird, wird diese Bewegung abgelenkt:
nach rechts auf der Nordhalbkugel
nach links auf der Südhalbkugel
Diese Ablenkung führt zur sogenannten Ekman-Spirale: Jede Wasserschicht unterhalb der Oberfläche wird von der darüberliegenden mitgezogen, bewegt sich jedoch langsamer und wird noch weiter zur Seite abgelenkt. Das Ergebnis: Der Netto-Wassertransport verläuft etwa 90 Grad versetzt zur Windrichtung.
In den großen Ozeanbecken bilden sich durch das Zusammenspiel von Windmustern und Corioliskraft riesige kreisförmige Strömungssysteme, sogenannte Gyren (z. B. der Nordatlantik- oder Südpazifik-Gyre). Da das Wasser ständig zum Zentrum dieser rotierenden Systeme gedrückt wird, „staut“ es sich dort leicht – es entsteht eine kuppelartige Erhöhung des Meeresspiegels, oft nur wenige Centimeter hoch. Diese leichte Erhebung erzeugt einen Druckgradienten, der zusammen mit der Corioliskraft die kreisförmige Bewegung der Gyre aufrechterhält.
🧠 Fun Fact: Im Zentrum von Gyren ist die Meeresoberfläche etwas höher und es findet weniger Durchmischung statt. Deshalb sammeln sich dort schwimmende Abfälle an. Das bekannteste Beispiel ist der Great Pacific Garbage Patch.


Am Äquator ist die Situation jedoch anders. Da der Corioliseffekt dort nahezu null ist, werden die Oberflächengewässer nicht in eine kreisförmige Bewegung abgelenkt. Stattdessen schieben starke Passatwinde das Oberflächenwasser nach Westen. Aufgrund der leichten Strömungsdivergenz nahe dem Äquator (Wasser strömt leicht nach Norden und Süden) wird Wasser vom Äquator weggezogen, was zu einem etwas niedrigeren Meeresspiegel in diesem Bereich führt. Dadurch entstehen ideale Bedingungen für Auftrieb (Upwelling) von kühleres, nährstoffreiches Tiefenwasser das zur Oberfläche aufsteigt.
Hinweis: Obwohl die meisten Oberflächenströmungen stabil und windgetrieben sind, können großräumige Klimaphänomene wie El Niño und La Niña den normalen Strömungsverlauf vorübergehend stören, besonders entlang des Äquators und im Pazifik. Solche Ereignisse können Richtung und Stärke der Strömungen verändern und sind daher für Segler bei der Planung von ozeanübergreifenden Routen von großer Bedeutung.




Ozeanströmungen lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen:
1.Oberflächenströmungen
2.Tiefenströmungen
Credit: NOAA
Credit: NOAA


Überblick großer Strömungssysteme
Nordatlantik-Gyre: Dieses große, im Uhrzeigersinn rotierende System dominiert den Nordatlantik. Der Golfstrom, seine westliche Grenze, transportiert warmes Wasser von der Karibik entlang der US-Küste bis nach Europa. Er ist schnell, kraftvoll und erzeugt oft raue Bedingungen, wenn er auf entgegenlaufende Winde trifft. Der Kanarenstrom auf der östlichen Seite fließt südwärts entlang Europas und Afrikas Küste und unterstützt die traditionellen Passatwindrouten in die Karibik.
Südatlantik-Gyre: Dieses gegen den Uhrzeigersinn rotierende System begünstigt das westwärts gerichtete Segeln über den Südatlantik. Der Brasilienstrom verläuft südwärts entlang Südamerikas Küste, während der Benguelastrom nordwärts entlang der Küste Namibias fließt - bekannt für seinen nährstoffreichen Auftrieb.
Nordpazifik-Gyre: Eine riesige, im Uhrzeigersinn rotierende Zirkulation mit dem Kuroshiostrom (östlich von Japan), dem Kalifornienstrom (entlang der US-Westküste nach Süden) und dem Nordäquatorialstrom. Im Zentrum liegt die berüchtigte Great Pacific Garbage Patch - eine langsam rotierende Zone, in der sich schwimmende Abfälle ansammeln.
Südpazifik-Gyre: Dieses gegen den Uhrzeigersinn rotierende System ist entscheidend für Segler im Südpazifik. Der Ostaustralienstrom (der aus „Findet Nemo“!) fließt südwärts, während der Humboldtstrom vor Peru nordwärts verläuft und kaltes, nährstoffreiches Wasser mit sich bringt.
Indischer Ozean-Gyre: Einzigartig unter den Gyren ist das System im Indischen Ozean, da es sich mit den Monsunzeiten umkehrt. Von Juni bis September fließen die Strömungen nordostwärts mit dem Südwest-Monsun, und von Dezember bis März in die entgegengesetzte Richtung mit dem Nordost-Monsun.
Äquatoriale Strömungen: Entlang des Äquators befinden sich zwei westwärts fließende Strömungen (Nord- und Südäquatorialstrom) sowie dazwischen der ostwärts gerichtete Äquatoriale Gegenstrom. Dieser Gegenstrom kann überraschend stark sein und wird häufig beim Segeln ostwärts über den Pazifik oder Atlantik genutzt.
Antarktischer Zirkumpolarstrom (ACC): Dieser Strom umkreist die Antarktis und ist der stärkste Strom der Erde. Er fließt ununterbrochen von Westen nach Osten. Er ist entscheidend für alle, die sich ins Südpolarmeer wagen, etwa rund um Kap Hoorn, wo er riesige Dünungen und extremes Wetter mit sich bringt.
Agulhasstrom: Der Agulhasstrom verläuft südwärts entlang der Ostküste Südafrikas. Er ist schnell und schmal und berüchtigt für das Entstehen von riesigen, chaotischen Wellen, wenn südliche Winde ihm entgegenblasen - oft als eine der gefährlichsten Segelbedingungen weltweit angesehen.
Norwegischer & Grönlandstrom: Im hohen Nordatlantik transportieren diese Strömungen relativ warmes Wasser in die Arktis und kaltes Wasser wieder südwärts. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei der Eisverteilung und können Segelrouten rund um Grönland, Island und darüber hinaus beeinflussen.
Für Segler sind Ozeanströmungen sowohl unsichtbare Motoren als auch verborgene Hindernisse. Sie können die Geschwindigkeit erhöhen, verlangsamen oder ganze Routenverläufe beeinflussen. Ihr Verständnis hilft, effiziente Reisen zu planen, schlechtem Wetter auszuweichen und sicher in Küstennähe oder an großen Strömungsgrenzen zu navigieren. An manchen Orten, etwa im Golfstrom oder der Agulhasströmung, kann das Zusammenspiel von Strömung und Wind sogar gefährliche Seezustände erzeugen. Zu wissen, wohin das Wasser fließt, ist daher oft genauso wichtig wie ein Blick auf den Wind.
Wenn du mehr lesen, unsere Reise weiterverfolgen und uns unterstützen möchtest, würden wir uns sehr freuen, wenn du unseren newsletter abonnieren würdest oder uns auf social media folgen würdest. Jede Form der Unterstützung hält unser Abenteuer am Laufen und wir würden uns riesig freuen, dich an Bord zu haben!